Vom Werbemitarbeiter zum Fernsehmoderator - vom Städter zum Dorfbewohner. Wir haben Kalle Zackari Wahlström auf seinem Hof mit dem klingenden Namen Kärret besucht, um mehr über amerikanischen Lifestyle, Veränderung der Lebensumstände und die Rückkehr zur Natur zu erfahren.
Wir treffen
Kalle auf seinem Hof Kärret außerhalb von Sorunda, den er seit einigen Jahren zusammen mit seiner Frau
Brita Zackari bewirtschaftet. Er begrüßt uns standesgemäß mit zwei Werkzeugen in der Hand. „ Ich trage das nur so mit mir herum, damit es so aussieht als ob“, meint er mit einem Augenzwinkern und lässt die Geräte schnell in der Werkstatt verschwinden. Kalle verrät uns, dass die Outfits für unser Foto-Shooting ihm persönlich sehr am Herzen liegen und das sein großes Interesse für Mode, vor allem mit Wurzeln in den USA und Japan, vor ungefähr 10 Jahren zum Leben erweckt wurde. „Plötzlich fühlte es sich so an, als ob ich zu einem Stil gefunden habe, was vorher nicht der Fall war…“ fügt er noch hinzu, bevor er von einer Kakophonie aus dem Geschnatter der Enten, blökenden Schafen und Hundegebell unterbrochen wird. Rein theoretisch könnte sich die Familie durch den Hof selbst versorgen, wären da nicht einige Mitglieder, die mit dem täglichen Konsum von Fleisch und Kartoffeln nicht ganz einverstanden sind, meint Kalle und öffnet die Tür zum Haupthaus, wo ein wärmender Kacheloffen, eine Tasse Kaffee und die Jagdhündin Kerstin schon ungeduldig auf uns warten. In Gesellschaft eines ausgestopften Wildschweins lassen wir uns gemütlich am Sofa nieder.
Wie haben Sie das Leben vor Ihrer Fernsehkarriere gestaltet?
– Ich war in der Werbebranche tätig, genauer gesagt als Copywriter für eine Werbefirma mit dem Namen Great Works. Dort arbeitete ich zusammen mit
David Sundin und
Kristoffer Triumf, die sich ja heute auch in ganz Gebieten bewegen. Davor lebte ich von Radiowerbung, die ich gemeinsam mit meiner Schwester für die Produktionsfirma Delorean gestaltet habe. Dazwischen liefen auch jede Menge andere Projekte. Doch erst mit dem Blog „Stark som en björn, snabb som en örn“ (Anm. der Redation: „Stark wie ein Bär, schnell wie ein Adler“) kam meine TV-Karriere so richtig in Fahrt. Jemand wurde auf meine Arbeit aufmerksam und meinte, die Einträge würde sich perfekt fürs Fernsehen eignen. Der schwedische Sender SVT war derselben Meinung. Im Jahr 2014 wurde der erste Abschnitt von „Svett und Etikett“ ausgestrahlt. Seitdem läuft die Karriere ohne Abbruch.
Bis sind sieben TV-Programme entstanden. Macht es heute noch genauso viel Spaß wie zu Beginn?
– - Ja! Ich denke ich habe, ganz unverhofft, meine Bestimmung gefunden und kann seit Svett und Etikett wirklich meine Träume realisieren. Gerade befinden wir uns in der Endphase von
„Hilfe, wir haben einen Bauernhof gekauft“ und was danach kommt – wir werden sehen - oder der Weg geht weiter. Man soll ja nichts ausplaudern, das wäre unprofessionell, aber ich kann verraten, dass ich auf ein Projekt über die Rettung von Nashörnern vor Wilderern aufmerksam geworden bin. Dieses Thema würde mich brennend interessieren.
Wie war es von der Stadt aufs Land, noch dazu auf einen Bauernhof, zu ziehen?
– Ich bin ja eigentlich in der Gegend aufgewachsen, nur rund 10 Kilometer von hier entfernt. In meiner Kindheit hat es mich ständig in die Stadt gezogen, dort gab es auf jeden Fall asphaltierte Straßen. In meiner Gymnasiumzeit besuchte ich oft nach Stockholm, wo ich später auch einen Job bekam. Ich wechselte den Wohnort, machte Party und genoss das Großstadtleben in vollen Zügen. Mit 25 wurde ich Vater. Von da an verlor die Stadt ein wenig an seinem Reiz. Doch da hatte ich mich ja bereits fest etabliert, mit Job und allem was dazu gehört. Ich glaub nicht daran, dass es für die Menschen von Vorteil ist, alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen, ohne auch nur einen Finger krumm machen zu müssen. Vor allem was unsere Nahrung betrifft zum Beispiel. Kommt das Gemüse aus dem eigenen Garten, hat man einen anderen Bezug dazu. Zurück zur Natur ist die Devise.
"Zurück zur Natur ist die Devise"
War Ihre Frau genauso begeistert vom Umzug auf´s Land wie Sie?
– Brita kommt eigentlich auch ursprünglich aus einer ländlichen Gegend, sie fühlt sich der Stadt jedoch näher verbunden als ich, ist mehr extrovertiert. Während sie Kraft aus sozialen Begegnungen schöpft, werde ich davon eher müde und ausgelaugt. Nach unserem Gespräch werde ich mich eine Stunde aufs Ohr legen müssen. Natürlich fühlt sie sich auch sehr wohl hier, für sie ist es aber vielleicht nicht ganz so angelegen. Vor einiger Zeit kam mir der Gedanke hier einfach alles hinzuschmeißen und wieder in die Stadt zu ziehen. Aber ich würde mich zu Tode langweilen. Ja was bleibt da anderes übrig als einfach weiter zu machen?
Vielleicht wird genau das die Grundlage für ein neues Fernsehprogramm?
– Haha, ja genau mit dem Titel ”Isoliert” oder ”Gefangen in meinen eigenen vier Wänden”. Da bleibt nicht viel anderes übrig als Vinylplatten zu lauschen, die aus sündteueren Lautsprecher schallt oder dem Alkoholkonsum verfallen und bösartige Kommentare im Internet zu verfassen.
Ein Gedankensprung – wie würden Sie Ihren Bezug zu Kleidern beschreiben?
– In jüngeren Jahren habe ich gern mit Kleidung experimentiert. Bei meinem Austauschsemester in den USA lief ich am ersten Tag der High School als einziger mit einer Art Rock über der Hose herum, als Statement sozusagen. Komischerweise hat sich niemand daran gestört, auch nicht meine Mitschüler. Als ich Vater wurde habe ich mein Modeinteresse erstmal ganz hinten im Schrank verstaut. Ich glaub es war im Jahr 2010 als das Modeinteresse „out of the blue“ wieder zum Leben erwachte. Es fühlte sich so an, als ob ich zu einem eigenen Stil gefunden habe, was für Leute wie mich ganz neu war - eine Mode für Bartträger mit Muskeln, die sich selbst gern als den Helden sehen, wie eine Art amerikanische Papa-Mode. Mir gefällt der Gedanke, dass Kleidung so aussieht wie eh und je. Jemand hat vor langer Zeit die perfekte Jacke designt. Warum das Rad immer neu erfinden? Ich bin auch ein großer Fan amerikanischer Musikkultur und Literatur über typisch amerikanischen Heldenfiguren. Die Looks von denen ich am meisten fasziniert bin sind eine Anknüpfung an diesen Lifestyle. Außerdem steckt ja selbst ein kleiner Held in mir, zumindest hier auf dem Hof und das passt zu meinem Stil denke ich.
"Mir gefällt die Idee, dass Kleidung so aussieht wie eh und je."
Ich habe gelesen, dass dein Vater, als du noch klein warst einen deiner Pullover wegem dem Aufdruck „USA“ ins Feuer geworfen hat. Beeinflussen die frühen Jahre Ihren heutigen Kleidungsstil?
– Ich orientiere mich sehr an typisch amerikanischen Outfits, vielleicht gerade deshalb, haha. Nein, Spaß beseite, ich glaube, das wäre ein bisschen zu weit hergeholt. Ich denke das meine Inspiration eher Cormac McCarthys Büchern und der Musik von Bruce Springsteens stammt.
Gibt es ein Kleidungsstück, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
– Das beste Beispiel sind wahrscheinlich meine Hosen von Carhartt, auf die ich bestimmt vier bis fünf Mal pro Woche auf Instagram angesprochen werde. Ein Paar habe ich vor kurzem entsorgt, das ich seit 20 Jahren besessen habe. Ich habe aber noch mehrere Modelle, die sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls befinden. Eigentlich macht ja erst der natürlich Used-Effekt Kleidung so richtig interessant, aber das dauert natürlich seine Zeit und ist ja auch nichts, was man sich gerade mal so vornimmt. Der Prozess soll ganz natürlich stattfinden. Ich habe mir eine Motorradjacke von Eastman Leather gekauft mit dem Hintergedanken, dass die Jacke besonders lange halten soll und vielleicht mit einer ganz persönlichen Patina auch noch an die nächste Generation weitergereicht werden kann. Aus derselben Grundidee heraus haben wir uns auch für den Kauf des Hofes entschieden, der sich als Treffpunkt für die Familie und zukünftige Generationen etablieren soll. Das ist ja auch Zwecke der Sache, so wie bei Jeans zum Beispiel. Jemand muss die Jeans kaufen und sie bis zur Perfektion tragen.
Kaufen Sie lieber neu, anstatt in Second-Hand zu investieren?
– Selbstverständlich! Natürlich kaufe ich manchmal Second Hand, aber das fühlt sich ein bisschen wie geschummelt an. Ich finde es eher sinnlos, abgetragene Jeans zu kaufen. Neue halten doch auf die Dauer gesehen viel länger.
Hat sich Ihr Stil verändert, nachdem Sie Stockholm hinter sich gelassen haben?
– Ja, mein Kleidungsstil ist vielleicht weniger durchdacht als früher. Der Fokus hat sich verschoben und liegt jetzt auf Funktionalität, wie zum Beispiel Gummistiefel anstelle von japanischen Boots und mehr Stirnlampen als ein Military-Cap.
Sie und Ihre Frau Brita sind aktuell erfolgreich mit einer eigenen Lifestyle-Marke. Wollen Sie uns mehr darüber verraten?
– Ja genau. Die Marke heißt Kärret, benannt nach unserem Hof. Wir bekamen viele Zusendungen mit Fragen über unser Konsumverhalten. Da entstand die Idee, unsere Strategien auch mit anderen zu teilen. Brita und ich legen Wert auf Kleidung, die zu uns und unserem aktuellen Lebensstil. In Kürze wollen wir traditionell schwedische Holzpantoffeln präsentieren und ein Sakko im Landstil. Stellen Sie sich eine Elchjagd im hohen Norden in den 70ern vor. Das Sakko ist mit überdimensional großen Taschen ausgestattet und generell einfach praktisch. Man kann darin ganz bequem Hundwelpen, Kartoffeln, Eier oder auch Kleinkinder verstauen. Darin findet einfach alles Platz.
Holzpantoffel und Sakko im Country-Stil von Kärret.
Abgesehen vom Tv-Programm und neuen Marken, gibt es noch mehr Neuigkeiten?
– Wir haben soeben ein Überlebenspacket lanciert. In meinem aktuellen Podcast „Warten auf die Katastrophe“ dreht sich alles um die perfekte Vorbereitung. Der moderne Mensch von heute hat sich weit von den Lebensgrundlagen, wie der Nahrung und Heizung entfernt. In einer Krisensituation ganz das ganz schnell zum Verhängnis werden. Das hat uns der Beginn der Pandemie deutlich gezeigt, alles plötzlich alle in schierer Panik das Toilettenpapier aufkauften, dass kurzfristiges Denken vorherrscht und eigentlich keine wichtigen Vorräte zu Hause hat. Mit diesem Paket und dem Pod wollen wir mehr zu Do-It-Yourself ermutigen. Oft schafft man mehr, als man sich zutraut. Ich habe zum Beispiel einen Heizkörper vom System abgekoppelt, weil der Installateur erst in der nächsten Woche kommen konnte. So schwer war das gar nicht und damit steigt auch das Selbstvertrauen. Außerdem sollte jeder Nahrung für mindestens eine Woche im Haus haben, doch das haben nur wenige. Eigentlich spielt es keine Rolle, wieviel Pasta ich selbst auf Lager habe, denn wenn es wirklich zu einer Krisensituation kommt und niemand sonst Nahrungsmittel zur Verfügung hat, nützt das nur sehr wenig. Daher stammt die Idee mit dem Essenspacket für eine Woche.
Zum Abschluss: was würden Sie unseren Lesern an erster Stelle empfehlen?
– Ich würde sagen hartes Training, ein Gemüsegarten und Meditation.
Meditieren Sie viel?
– Nein, aber ich wünschte ich würde!